Frage 1: Seit 1990 ziehst du als Organist buchstäblich alle Register der Sonnenorgel. Was fasziniert dich an diesem Instrument?

1990 wurde ich Kantor und Organist der Peterskirche, da gab es von der Sonnenorgel aber nur das leere Gehäuse. Bis ich alle Register der Sonnenorgel ziehen konnte, war es noch ein beschwerlicher Weg. Die 1703 von Eugenio Casparini fertiggestellte Orgel wurde mehrfach verändert und 1927/28 durch ein komplett neues Orgelwerk ersetzt. Als 1980 mit der Restaurierung des Innenraums der Peterskirche begonnen wurde, fiel die Entscheidung, das unbrauchbar gewordene Werk auszubauen und nach Fertigstellung der Restaurierungsarbeiten eine neue Orgel zu bauen. Ich hatte die Chance, gemeinsam mit meinem Freund und Kollegen Matthias Eisenberg eine Orgel zu entwerfen, die sowohl dem historischen Vorbild Casparinis als auch den Erfordernissen einer neuen Kirchen- und Konzertorgel gerecht wird, auf der die gesamte komponierte Orgelliteratur spielbar sein würde. Um das ehrgeizige Vorhaben in die Tat umsetzen und das Casparinigehäuse wieder mit einem klingenden Orgelwerk versehen zu können, wurde 1991 der Freundeskreis Görlitzer Sonnenorgel eV. Gegründet.

Am Ende langwieriger Verhandlungen und nach Bestätigung unseres Entwurfs konnte 1995 der Auftrag an meine Wunschfirma, die schweizerische Mathis Orgelbau AG, erteilt werden. In drei Bauabschnitten wurde die neue Sonnenorgel von 1997 bis 2006 erbaut. Im Herbst 2008 waren alle Rechnungen und die letzte Kreditrate bezahlt. Im Verlaufe von 17 Jahren waren die notwendigen 1,6 Millionen Euro aufgebracht worden.

Ich kann mich glücklich schätzen, einer der wenigen Organisten zu sein, die „ihre“ Orgel selbst entworfen haben. Matthias Eisenberg hat nun noch dafür gesorgt, dass mit dem 2021 erfolgten Einbau dreier sanfter Pedalregister und die für 2024 vorgesehene Komplettierung durch 5 Register spanischer Trompeten die letzten noch offenen Wünsche in Erfüllung gehen.

Frage 2: Welches Stück entlockst du der Sonnenorgel am liebsten?

Es gibt sehr viele Stücke, die ich gern auf der Sonnenorgel spiele, vor allem die großen Orgelwerke von Johann Sebastian Bach und Max Reger, aber auch die Werke der französischen Romantiker wie César Franck. Dazu habe ich jedoch nur selten Gelegenheit, denn für Gottesdienst und „orgel punkt 12“ sind die meisten dieser Stücke zu umfangreich. Konzerte, wo sie ihren Platz haben, gibt es leider zu selten.

Frage 3: Dein Tipp für Görlitz-Besucher?

Besuchen Sie während Ihres Görlitz-Aufenthaltes wenigstens einen „orgel punkt 12“, um sich von der Klangpracht und -vielfalt der Sonnenorgel zu überzeugen. Über Orgelkonzerte, die von Mai bis Oktober von namhaften Organisten aus aller Welt gespielt werden, informieren Sie sich am besten vor Ihrer Reise über das Internet. Ein besonderer Höhepunkt wird in jedem Falle die Einweihung der spanischen Trompeten mit der anschließenden Orgelnacht am Pfingstsonntag, dem 19. Mai 2024 sein.

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