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3 Fragen an Kai Wenzel

Kulturhistorisches Museum Görlitz

Kai Wenzel ist Experte für Kunstgeschichte am Kulturhistorischen Museum in Görlitz. Als Kurator hat er die aktuelle Sonderausstellung „Weltenwanderer“ konzipiert, die Werke weltbekannter zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus der Schenkung Sammlung Hoffmann präsentiert. 

Frage 1: Wie geht man so eine Ausstellung an und wählt man unter so vielen exzellenten Werken die relevanten aus? Gibt es ein Lieblingsstück?

Eine solche Ausstellung ist immer ein Gemeinschaftsprojekt. Diesmal haben wir sie gemeinsam mit den Kolleginnen der Schenkung Sammlung Hoffmann bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erarbeitet. Und die Schau hat auch noch ein zweiten Standort im Zittauer Museum. Für unseren Görlitzer Teil durfte ich aus dem Gesamtbestand der Schenkung Sammlung Hoffmann frei auswählen. Der Fokus lag dabei auf Werken von Künstlerinnen und Künstlern aus Ost und West. Denn unsere Europastadt Görlitz-Zgorzelec ist der perfekte Ort für einen künstlerischen Dialog zwischen dem östlichen und dem westlichen Mitteleuropa.

Ein wichtiges Auswahlkriterium waren Migrationserfahrungen und markante Brüche in den Biografien von Künstlerinnen und Künstlern. Große Namen wie Andy Warhol, Gerhard Richter oder Marina Abramović haben wir nicht wegen ihrer Popularität ausgewählt, sondern wegen ihrer Biografie. Für Warhols Werk spielte z. B. immer auch eine Rolle, dass seine Eltern als Migranten aus der heutigen Slowakei in die USA gekommen waren. Insbesondere seine Mutter, mit der Andy Warhol bis zu ihrem Tod zusammenlebte, hielt die Erinnerungen an die alte Heimat wach.

Habe ich ein Lieblingsobjekt? In der Schau gibt es viele Objekte, die ich sehr mag. Besonders ans Herz gewachsen ist mir aber die Videoinstallation „Festive Dream“ der Moskauer Künstlerin Olga Chernysheva. Sie zeigt einen obdachlosen Mann, der auf einer Bank schläft. Das Video führt in seine Träume und Erinnerungen, die in verwaschenen Farben von einer vermeintlich besseren Zeit erzählen. Am Ende wird der Mann von drei Jugendlichen mit Fußtritten weggejagt und aus seinem Traum herausgeworfen. Das Ganze ist mit einer leichtfüßigen Melodie unterlegt, die die Tragik der Erzählung aber noch verstärkt.

Frage 2: Haben Sie eine Lieblingsecke im Kaisertrutz?

Da der Kaisertrutz kreisrund ist und die Ausstellungsräume keine Ecken haben, trifft „Ecke“ es vielleicht nicht ganz. Mein Lieblingsort ist aber zweifellos die Galerie der Moderne im 3. Obergeschoss. Dort zeigen wir Kunstwerke mit engem Bezug zu Görlitz und Umgebung aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Unsere Stadt kann auf eine bedeutende künstlerische Tradition verweisen zum Beispiel für die Zeit des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Mit Künstlern wie Johannes Wüsten, Willy Schmidt oder Fritz Neumann-Hegenberg hat Görlitz einen wichtigen Beitrag zur mitteleuropäischen Kunstgeschichte geleistet. Wir sind froh, dass wir das in der Galerie anhand erstrangiger Werke auch zeigen können. Und wir freuen uns, dass dieser Bestand durch wichtige Neuerwerbungen immer wieder erweitert werden kann.

Frage 3: Was empfehlen Sie Görlitz-Urlaubern – natürlich neben dem Besuch im Kulturhistorischen Museum? 

Die Stadt mit ihren fantastisch restaurierten historischen Bauwerken ist in Gänze ein einzigartiges Erlebnis und am besten zu Fuß zu erkunden. Ich kenne keine andere Stadt in Deutschland, die über Jahrhunderte hinweg so ästhetisch hochwertig gestaltet wurde und in der all das auch erhalten geblieben ist. Für einen Kurzbesuch würde ich aber unbedingt eine Besichtigung der Peterskirche, des Heiligen Grabes, der Synagoge und – das darf einfach nicht fehlen – des Barockhauses Neißstraße 30 empfehlen. Denn auch das Barockhaus ist deutschlandweit einzigartig nicht nur wegen des historischen Bibliothekssaals, sondern als Gesamtensemble mit seinen historischen Interieurs und zahlreichen wertvollen Kunstwerken, die schon seit langem zum Haus gehören.

Barockhaus Görlitz
EGZ