Denkmalhäuser & Bauten

Der 15. Meridian

ERLEBNIS MERIDIANSTEIN

Durch Görlitz verläuft der Bezugsmeridian der mitteleuropäischen Zeit (MEZ), der 15. Meridian Ost. Im Stadtpark weist eine steinerne Erdkugel mit Inschrift darauf hin, dass gewissermassen von hier die Zeit stammt, die in weit über der Hälfte der europäischen Staaten gesetzliche Normalzeit ist. Wenn beispielsweise in Madrid, Brüssel, Oslo, Warschau und Belgrad die Uhren – notabene gleichzeitig – 12.00 schlagen, ist in keiner dieser Hauptstädte nach der Ortszeit Mittag. Entweder ist der Tageshöchststand der Sonne dort schon vorüber oder er lässt noch eine ganze Weile (in Madrid bis über eine Stunde) auf sich warten. In Görlitz dagegen gilt: 12.00 Uhrzeit = 12.00 mittlere Ortszeit. Und mehrmals im Jahr – die Länge der Sonnentage schwankt geringfügig – effektiv auch wahre Ortszeit, d. h. eine moderne Uhr und eine Sonnenuhr stimmen dann genau überein.

Aufgestellt wurde der Meridianstein im Jahr 1961 anlässlich des ersten bemannten Raumfluges von Juri Gagarin. Schöpfer und Stifter war der Görlitzer Steinmetzmeister und Bildhauer Carl Däunert. Zwischen dem kreisförmigen Sockel und der ebenfalls runden Deckplatte sind die Kontinente auf einem Globus dargestellt. Auf der Deckplatte kennzeichnet ein genau eingemessener Bronzebügel die Meridianrichtung. In der Inschrift wird auf den Verlauf der Zeitzone von Skandinavien bis Afrika verwiesen.

Adresse: Am Stadtpark, 02826 Görlitz

FRAGEN ZUM MERIDIANSTEIN? Gerne antworten wir Ihnen!

Meridian – was ist unter diesem Begriff  zu verstehen?

So heißen die direkten Linien, die vom Nord- zum Südpol verlaufen. Auf einem Globus erscheinen sie als Halbkreise. An und für sich handelt es sich um gedachte Linien.

'15. Meridian' steht auf dem Stein. Wie funktioniert die Zählung?

Als Nulllinie ist international der Meridian durch die Sternwarte von Greenwich, Stadtteil von London, vereinbart. Davon ausgehend zählt man ost- und westwärts die Meridiane üblicherweise im 1°-Abstand. So kommen 360 zusammen – im Grunde genommen gibt es aber unendlich viele. In Görlitz befinden wir uns rund 1000 km östlich von London, so dass hier der 15. östliche Meridian durchgeht. 

Wenn ich zum Stein auf die Seite mit den Kontinenten gehe, mich bei der auf der Fussplatte eingravierten Linie aufstelle und oben über die Richtungsschiene hinwegsehe, blicke ich somit exakt nach Norden?

Richtig. Und Süden haben Sie im Rücken.

Und dort steht ja die Sonne um 12 Uhr mittags, oder?

Nein, so einfach ist es nicht. Die Sonne läuft – und dabei handelt es sich ja um eine scheinbare Bewegung – nicht gleichmäßig über den Himmel. Mal ist sie etwas schneller, mal langsamer. Rechnet man jedoch mit ihrer Durchschnittsgeschwindigkeit, also statt der wahren mit einer mittleren Sonne, erreicht diese effektiv immer nach präzis 24 Stunden den höchsten Punkt ihrer Tagesbahn. Zutreffend ist, dass hier in Görlitz die mittlere Sonne täglich um 12.00 Uhr normale Uhrzeit (also im Winterhalbjahr) genau im Süden steht.

Worauf ist die ungleichmässige Wanderung der Sonne zurückzuführen?

Auf die beiden Tatsachen, dass die rotierende Erde einerseits mit einer schrägen Achse und zweitens auf einer elliptischen Bahn die Sonne umkreist.

Zurück zum 15. Meridian. Warum ist dieser so wichtig, dass hier ein Denkmal steht?

Weil er ein Stundenmeridian ist, und zwar der Stundenmeridian der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ). Rund um den Erdball gibt es 24 solche Haupt- oder Bezugsmeridiane. Sie folgen mit 15° Abstand aufeinander und geben einer beidseitig anschliessenden Zone mit ihrer mittleren Sonnenzeit die Uhrzeit, auch Zonenzeit genannt. Die Breite dieser Zonen ist, bedingt durch politische Grenzen, sehr unterschiedlich.

Wie heissen die Nachbar-Zonenzeiten der MEZ?

West- und Osteuropäische Zeit. Erstere geht eine Stunde nach und orientiert sich am Nullmeridian von Greenwich. Der Meridian, der die Osteuropäische Zeit bestimmt, liegt auf 30° Ost. Seine mittlere Ortszeit hat gegenüber der MEZ eine Stunde Vorsprung.   

Stimmt die Annahme, dass die MEZ die wichtigste Standardzeit Europas ist? 

Circa zwei Drittel aller Europäerinnen und Europäer leben in dieser Zeitzone. Das sind über 410 Millionen Menschen. In 30 Ländern, von Spanien bis Polen und von Norwegen bis Malta.

Nun gilt ja von März – Oktober die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ). Könnte man nicht einfach auch sagen, dass wir dann Osteuropäische Zeit haben?

Durchaus. Sommerzeit ist ja Normalzeit + 1 Stunde.

Dem Text auf dem Stein ist zu entnehmen, dass unsere Zonenzeit auch in Tunesien und Kamerun gilt. Heißt sie dort nicht anders?

Doch, nämlich Westafrikanische Zeit. Insgesamt richten sich 15 Staaten Afrikas nach ihr, in denen weitere rund 470 Millionen Menschen leben. Somit gibt der Meridian, bei dem Sie hier stehen, nahezu 900 Millionen Menschen die Normalzeit. Keine andere Zeitzone umfasst auch nur annähernd so viele Staaten.

Die Steinkugel enthält die Information, dass sie aus Anlass des ersten Weltraumfluges des Menschen aufgestellt worden ist. Was sollte man über dieses Ereignis heute noch wissen?

Juri Gagarin (1934-1968), sowjetischer Kosmonaut, startete am 12. April 1961 an Bord des Raumschiffes Wostok 1 vom heutigen Weltraumbahnhof Baikonur aus zum ersten bemannten Weltraumflug. Er passierte die in 100 km Höhe definierte Grenze zwischen Erdatmosphäre und Weltraum und umrundete in gut 100 Minuten einmal unseren Planeten.

 

Fragen zum Meridianstein? Gerne antworten wir Ihnen! [A4, 664 KB, Deutsch]

 

Wir danken Gerhard Joos, Autor des Buches „23½° – Geoastronomie im Alltag und auf Reisen“, für die fachliche Beratung.

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